20 Jahre eigenständige Institution – ein Rückblick auf zwei Jahrzehnte Archivschule Marburg

Am 1.1.1994 wurde die Archivschule Marburg – Institut für Archivwissenschaft, Fachhochschule für Archivwesen – durch einen Erlass des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst eine eigenständige Institution.

Die Archivschule besteht seit 1949 als Nachfolgerin des bis 1945 existierenden Instituts für Archivwissenschaften (IfA) in Berlin und der zuvor 1894-1904 eingerichteten  Prüfungskommission für Archivaspiranten, die der Marburger Universität angegliedert war. Die Archivschule war zunächst jedoch keine eigenständige Behörde oder Hochschule, sondern eine Abteilung des Hessischen Staatsarchivs Marburg. Die Leiter des Staatsarchivs waren zugleich die Leiter der Archivschule.


Nachdem 1988 nach Protesten vor allem des 20. und des 22. Wissenschaftlichen Lehrgangs über die inzwischen veraltete Ausbildung eine Studienleiterstelle eingerichtet und mit Frau Dr. Menne-Haritz besetzt worden war, bekam die Archivschule eine größere Unabhängigkeit, die sich 1990 mit dem Umzug vom Staatsarchiv in die gegenüberliegenden Gebäude Bismarckstr. 32 und Liebigstr. 39 noch weiter verstärkte und am 1.1.1994 mit der formalen Loslösung vom Staatsarchiv ihren Abschluss fand.

Die neue Leiterin der Archivschule, Frau Dr. Menne-Haritz, begann die Ausbildung erheblich zu professionalisieren. 1995 schuf man neben der bereits bestehenden Studienleiterstelle die drei bis heute existierenden hauptamtlichen Dozentenstellen. Auch eine neue Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den höheren Archivdienst wurde erarbeitet, und im Mai 1997 erlassen. Damit kam der knapp 10 Jahre zuvor begonnene erste Reformprozess der Ausbildung zu einem vorläufigen Ende.


Neben der Reform der Ausbildung wurden in den Jahren 1990 bis 1995 noch zwei weitere wichtige und bis heute wirkende Neuerungen eingeführt: Seit 1990 bietet die Archivschule Marburg Fortbildungskurse an, die sich zunehmender Beliebtheit erfreuen. Die Archivschule ist inzwischen der Marktführer auf diesem Gebiet mit jährlich rund 30 Kursen und 400 Fortbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmern. Zudem veranstaltete die Archivschule 1994 das 1. Archivwissenschaftliche Kolloquium. Diese fanden seitdem alle zwei Jahre, seit 1999 jährlich statt. Hier werden unter Beteiligung nationaler und internationaler Fachleute aktuelle Themen des Archivwesens aufgegriffen und einem breiteren Publikum dargeboten. Die Beiträge der Kolloquien publiziert die Archivschule anschließend in Ihrer Veröffentlichungsreihe, die inzwischen 57 Bände umfasst.

Diente die Reihe zuerst dazu, hilfs- und archivwissenschaftliche Arbeitsmittel zu publizieren, erhielt sie später eine größere thematische Bandbreite und umfasst neben den Kolloquiumsbeiträgen heute auch Bände mit ausgewählten Transferarbeiten.


In den Jahren 1999-2001 wurden die Gebäude, in die die Archivschule rund 10 Jahre zuvor eingezogen war, saniert und behindertengerecht ausgebaut. Seitdem verfügt die Archivschule über drei große und zwei kleine Hörsäle mit einer heutigen Ansprüchen jederzeit genügenden technischen Ausstattung.

In Hinblick auf die Finanzierung und das Rechnungswesen stellte die Archivschule im neuen Jahrtausend zwei wichtige Weichen. Nachdem bereits 1996 ein neues Finanzierungsmodell mit festen Preisen beschlossen worden war, wurde die Archivschule 2002 in einen landeseigenen Betrieb umgewandelt und die kaufmännische Buchführung eingeführt, ein Schritt, der mit der Nutzung von SAP an der Archivschule im Zusammenhang mit der Einführung der NVS im gesamten Land Hessen am 1.7.2004 einen vorläufigen Abschluss fand.

Nachdem die Archivschule bereits in den späten 90er Jahren einzelne, von der DFG finanzierte Forschungsprojekte durchgeführt hatte, richtete die Archivschule unter Dr. Frank M. Bischoff, der 2003 bis 2009 Leiter der Archivschule war, im Jahre 2007 die ebenfalls DFG-geförderte „Koordinierungsstelle Retrokonversion“ ein. Sie übernahm damit eine wichtige Dienstleisterfunktion für Archive in der gesamten Bundesrepublik, indem sie deren Antragstellung auf Finanzierung der Retrokonversion archivischer Findmittel bis August 2013 förderte und begleitete.

Unter der seit 2010 amtierenden Leiterin der Archivschule Marburg Dr. Irmgard Christa Becker wurde ab 2011 vor allem an einer erneuten Reform der Ausbildung gearbeitet. Dabei spielten die Diskussion über die sogenannten Bologna-Reformen ebenso eine Rolle wie neue Ansätze in der Hochschuldidaktik, vor allem aber auch neue Entwicklungen im Berufsbild und Berufsalltag der Archivare. Erster sichtbarer Ausdruck dieser Diskussion ist die neue Bezeichnung „Archivschule Marburg - Hochschule für Archivwissenschaft“, die von der hessischen Ministerin für Wissenschaft und Kunst mit Wirkung vom 1.2.2012 verliehen wurde. Als erstes in die Arbeit der Institution eingreifendes Resultat ist im Dezember 2012 eine neue Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den Höheren Dienst erlassen worden, die die Ausbildung der Wissenschaftlichen Archivare ganz neu ausrichtet.

Schließlich wurde die Archivschule Marburg mit Wirkung vom 1.1.2013 in § 5 des neuen Hessischen Archivgesetzes 63 Jahre nach ihrer Errichtung und im 20. Jahr ihrer Eigenständigkeit endlich auf eine gesetzliche Grundlage gestellt:

„Die Archivschule Marburg - Hochschule für Archivwissenschaft hat die Aufgabe, Archivarinnen und Archivare des gehobenen und höheren Dienstes für Bund und Länder nach hessischem Recht auszubilden. Sie führt Fortbildungsveranstaltungen und Weiterbildungsstudiengänge durch und betreibt archivwissenschaftliche Forschung.“

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