Deutsch-Amerikanische Arbeitsgruppe Online-Findmittel

Erstes Treffen der deutsch-amerikanischen Arbeitsgruppe zur bilateralen Harmonisierung der Internetpräsentation von Archiv-Zugängen
Washington, 23.-24. Juni 2000

Projektbeschreibung
English Version

Am 23. und 24. Juni fand in Washington das erste von zwei geplanten Treffen der Deutsch-Amerikanischen Arbeitsgruppe im Rahmen eines DFG-Projektes der Archivschule Marburg für die Weiterentwicklung der Internetnutzung für die Präsentation von Zugangsinformationen zu Archivgut statt. Es gab lebhafte Diskussionen, die mit zuvor auf dem BSCW-Server der Archivschule bereit gestellten Papieren und Folienpräsentationen vorbereitet worden waren. Der Fragekatalog der deutschen Seite umfaßte die folgenden 8 Punkte: Navigation zwischen den Beständeübersichten und den Findbüchern, Navigation innerhalb der Findmittel, Präsentation der Ergebnisse von Suchmaschinen, Leistungen der Systeme bei großen Beständen, Verfahren zur Anbringung von Markierungen für die Browserdarstellung, Sprach- und Übersetzungsprobleme, Einflüsse der Systeme auf die Verzeichnungsmethoden und schließlich den Umgang mit dem Arbeitsprotokoll und die Präsentation von Zusatzinformationen.

Zentrale Themen der einleitenden Diskussionen waren:

  • Vergleich zwischen amerikanischer und deutscher Verzeichnungstradition. Begonnen wird nicht mit einzelnen Akten sondern mit der Beschreibung eines Gesamtbestandes mit Hilfe von „Authority Records“ Sie sollen flexible Behördenentwicklungen mit den daraus entstandenen stabilen Schriftgutstrukturen verbinden. Sie beschreiben die Behördengeschichte und die ausgeübten Kompetenzen sowie Benutzungsmethoden für einzelne Gruppen von Aufzeichnungen. Sie liefern also die verbale Erläuterung der Kontexte. Sie stammen der Form nach aus Bibliothekssystemen, wo sie vor allem Ansetzungsformen für Namen und Ort festlegen, sind aber für die archivische Anwendung etwas umfunktioniert worden.

  • Ähnliche Funktionen haben die "Collection Records". Sie werden im amerikanischen bibliothekarischen Austauschformat MARC mit den im Standard MARC-AMC vorgegebenen Kategorien erfaßt und geben übergreifende Informationen zu Gruppen von Akten oder anderen Aufzeichnungen. Sie werden in die landesweite bibliothekarische Datenbank RLIN (bei der RLG) eingegeben. Sie sind entstanden als Auf- oder Ablösung der früheren gedruckten "Repository Guides", die den Beständeübersichten sehr ähneln. Die Nutzung der MARC-Kategorien hat jedoch zur Auflösung der strukturierten Zusammenhänge zwischen Aktengruppen oder Beständen geführt, was inzwischen als Mangel empfunden wird. Die Möglichkeit, in MIDOSA strukturierte Beständeübersichten herzustellen, wurde deshalb sehr interessiert aufgenommen.

  • Die Grundlage für die Gliederung von Beständeübersichten und Findbüchern ist häufig vielfach die Organisationsstruktur der Behörden, bei denen die Unterlagen entstanden. Als flexiblerer Ansatz und Alternative zur Organisationsgliederung wurde die Gliederung nach Aufgaben und Kompetenzen diskutiert.

  • Die Funktion von ISAD(G) für die Internationale Vereinheitlichung der Erschließung wurde angesprochen. Erfahrungen aus mehreren Ländern zeigen, dass es trotz einer verbreiteten sehr positiven Einstellung im Beruf gegenüber diesem Normvorschlag eher geringe Funktionen für die jeweils eigenen Arbeitsmethoden entfaltet hat und auch für den internationalen Austausch kaum Verwendung findet.

  • Ein weiteres Thema war der Stellenwert von EAD und seine Funktion für die Erschließungsarbeit in den Archiven. Zur Erläuterung wurde EAD in ein System von Standards eingeordnet, das folgendermaßen gegliedert wurde

    • Strukturstandards (structure): EAD, ISAD(G) mit der Liste erforderlicher oder vorgeschlagener Elemente.

    • Inhaltsstandards (contents): Regeln, die angeben, wie die Datenelemente gefüllt werden.

    • Wertstandards (value): Hier sind die Authority Records mit den Ansetzungsformen angesiedelt.

    • Kommunikationsstandards (communication): Dazu gehören die technischen Normen wie XML, SGML, HTML.

      Demnach will EAD nicht mehr sein als ein Strukturierungsstandard, der ergänzt werden muss um die drei anderen Bereiche. Bisher gibt es zudem in der praktischen Anwendung verschiedene Instrumente für die Erstellung von EAD-Dateien und verschiedene Formen für ihre Präsentation am Bildschirm. Hier sind aber bisher keine Vereinheitlichungen vorgeschlagen oder diskutiert worden.

  • Schließlich wurde das MIDOSA-System erläutert. Einige Probleme bei der Präsentation des aus MIDOSA konvertierten EAD-Findbuchs auf dem Server der RLG konnten geklärt werden. Diskutiert wurde auf Anregung von Michael Fox die Funktion der Datenbank bei der Eingabe. Die Frage war, ob ihre Ziele auch anderweitig, etwa durch die Nutzung von mark-ups wie in EAD und Stylesheets erfüllt werden können. So könnte die Datenkonsistenz mit Formularen abgesichert werden. Die Sortierfunktion, die die gegliederte Titelliste produziert, könnte von Stylesheets übernommen werden, die zusätzlich den Ausdruck steuern und so ebenfalls den Reportgenerator überflüssig machen würden.

Aus den Diskussionen heraus wurden einige grundsätzliche Fragen an EAD formuliert, die etwa die Zielvorstellung von EAD betrafen. Ist es die Herstellung gemeinsamer Systeme oder ist es die Ausweitung des Zugangs zu den Archiven? Falls das Ziel die Verbreitung des Zugangs ist, erfüllt dann der bisherige Export von EAD in andere Länder die Erwartungen der amerikanischen Seite? Verstehen die Benutzer, was ihnen mit den Findmitteln mitgeteilt werden soll? Was sind die Erfolgskriterien für EAD-Anwendungen? Was ist generell das Ziel archivischer Erschließung? Sollen die Bestände nur inventarisiert und dokumentiert werden? Wieviel und welche Information über die Archivbestände ist für die angestrebten Ziele einer besseren Zugänglichkeit erforderlich?

Nachdem die Society of American Archivists, die EAD als Standard entwickelt hat, den Weg über die Internationale Normung im Rahmen der ISO ebenso wie eine Anfrage an den ICA zur Übernahme von EAD als Standard verworfen hat, wird die Arbeit der bilateralen Gruppe nun den Charakter eines Pilotprojektes für die Internationalisierung von Fachmethodiken haben. Sie soll als Modell für ähnliche Prozesse verstanden und dokumentiert werden.

Ergebnis dieses ersten Treffens ist ein Arbeitsplan, entlang dessen Vorgaben in kleinen, bilateralen Arbeitsgruppen bis zum zweiten Treffen, das im Frühjahr 2001 in Marburg stattfinden wird, verschiedene Aspekte aufbereitet werden. Er umfasst die folgenden sechs Schwerpunkte:

  1. Internationale Erfahrungen mit der Nutzung von EAD. Dazu gehört eine Untersuchung von MIDOSA durch die EAD-Arbeitsgruppe der SAA und die Ausarbeitung einer Terminologie, die die Rezeption englischsprachiger Literatur zu dem Thema in Deutschland erleichtern soll.

  2. Entwicklung von Kriterien und ihrer Maßstäbe für eine erfolgreiche Einführung von Internetpräsentationen.

  3. Erarbeitung von Empfehlungen und Übereinkommen für die Präsentation der Findmittel und von Suchergebnissen im Internet.

  4. Formulierung von Anforderungen an Werkzeuge für die Erfassung der Informationen und die Nutzung.

  5. Systematische Dokumentation des Prozesses dieses Projektes als Pilot für internationale Harmonisierung.

  6. Zusammenstellung zukünftiger Aufgaben und Forschungsagenden.

Die deutschen Arbeitsgruppenmitglieder waren von diesem ersten Treffen, vor allem von der Offenheit der amerikanischen Kollegen und ihrer Bereitschaft, über die Implikationen ihrer bisherigen Arbeiten für eine internationale Kooperation und den Austausch von Erschließungsinformationen zu sprechen, sehr angetan. Von allen Beteiligten wurden die Gespräche als ausgesprochen interessant und als ein vielversprechender Beginn der Kooperation begriffen.

Von amerikanischer Seite nehmen an den Arbeiten teil:

Jackie Dooley, Leiterin des Archivs der Universität von Kalifornien, Irvine,
Michael Fox, Direktor der Minnesota Historical Society, die die Funktionen des Staatsarchivs von Minnesota wahrnimmt,
Steven Hensen, Direktor der Spezialbibliothek der Duke Univerität,
Kris Kiesling, Leiterin des Archivs des Humanities Research Centers der Univerität von Texas in Austin,
Kathleen Roe, Direktorin des Staatsarchivs und der Schriftgutverwaltung des Staates New York,
Richard Szary, Leiter der Universitätsarchivs der Yale-Univerität, New Haven.

Die deutschen Mitglieder sind:

Dr. Nicole Bickhoff, Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, Stuttgart,
Dr. Mechthild Black-Veldtrup, Nordrheinwestfälisches Hauptstaatsarchiv Düsseldorf,
Dr. Edgar Büttner, Bundesarchiv, Koblenz,
Beate Friedrich, Bundesarchiv, Stiftung Parteien und Massenorganisationen der DDR, Berlin,
Bernhard Grau,Bayerisches Hauptstaatsarchiv München,
Dr. Angelika Menne-Haritz, Archivschule Marburg,
Klaus Tempel, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin,
Katharina Tiemann, Westfälisches Archivamt, Münster.

 © Angelika Menne-Haritz, 30. Juni 2000


© 2000 Uhde@staff.uni-marburg.de, Stand: 21.07.2009