Straßenbenennungsverfahren

I. Ausführungsanweisung zur Verordnung über die Benennung von Straßen, Plätzen und Brücken in: Reichsminsterialblatt der inneren Verwaltung, 1939 Nr.30, Spalte 1521-1523

Nach der VO über die Benennung von Straßen, Plätzen und Brücken vom 1.4.1939 gehört die Benennung der innerhalb des Weichbildes von Gemeinden dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen, Plätze und Brücken zu den durch §2DGO den Gemeinden zur eigenen Verantwortung zugewiesenen Aufgaben. Mit dem Inkrafttreten der VO sind demnach landesrechtliche Vorschriften, die die Benennung von Straßen, Plätzen und Brücken anderen Stellen übertragen, außer Kraft.
Die VO erstreckt sich auf die Benennung aller dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen, Plätzen, Grünanlagen und Brücken, die innerhalb des Weichbildes einer Gemeinde liegen. Über die Benennung von Straßen usw. im Sinne der VO entscheidet in Zukunft der Bürgermeister. Er bedarf zu seiner Entscheidung der Zustimmung des Beauftragten der NSDAP. Versagt der Beauftragte der NSDAP seine Zustimmung , so wird [...] eine andere, beiden Beteiligten genehme Benennung in Aussicht zu nehmen sein.
Vor seiner Entschließung hat der Bürgermeister des weiteren in jedem Falle der Ortspolizeibehörde Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, soweit er nicht selbst die Geschäfte der Ortspolizeibehörde wahrnimmt [...].
Es kann zweckmäßig sein, auch noch andere Stellen um eine gutachtliche äußerung zu ersuchen. Als solche Stellen kommen insbesondere in Betracht, ferner die Leiter von Stadtarchiven, von Geschichtsforschungsgesellschaften und ähnlichen Vereinigungen. Wenn durch eine Straßenbenennung eine verstorbene Persönlichkeit geehrt werden soll, empfiehlt es sich, zuvor die Angehörigen zu hören, es sei denn, daß es sich um eine Persönlichkeit von überragender Allgemeinbedeutung handelt.
Bei der Neuanlage von Straßen und Straßenteilen liegt stets ein Interesse für eine baldige Benennung vor.
Bestehende Straßennamen sollen grundsätzlich nicht geändert werden. Dies gilt vor allem für alte und historische Namen. Jede Umbenennung bringt im übrigen für die verschiedensten Behörden eine erhebliche Verwaltungsarbeit mit sich und ist mit Unzuträglichkeiten und Belastungen für die Einwohner verbunden.
Eine Umbenennung ist deshalb nur in besonderen Ausnahmefällen am Platze. Sie ist dann gerechtfertigt und auch erforderlich, wenn die Bezeichnung einer Straße usw. dem nationalsozialistischen Staatsgedanken entgegensteht, ferner dann, wenn ein Name in weiten Kreisen der Bürgerschaft Anstoß erregt. Eine Umbenennung kann auch aus Gründen der Verkehrserleichterung geboten sein, wenn z.B. Namen zu ständigen Verwechslungen Anlaß geben oder wenn Doppelbenennungen vorliegen. [...]

II. Verwaltungsverfahren im Zuge einer Straßenbenennung am Beispiel des Stadtteils Elnhausen von 1984

Im Rahmen der Durchführung eines Straßenneubaus wendet sich die Stadtplanungsabteilung des Bauamtes hinsichtlich der Benennung zunächst an das Haupt- und Personalamt der Stadt, das sich seinerseits, als das zentrale Ausführungs- und Koordinierungsorgan innerhalb eines jeden Straßenbenennungsverfahrens, mit dem Ortsvorsteher des Stadtteils Elnhausen in Verbindung setzt, um dem Erfordernis einer Beteiligung des jeweils betroffenen Ortsbeirats nachzukommen.
Da dieses Beschlußgremium sowohl ein originäres Vorschlagsrecht zur Auswahl von Straßennamen als auch das Recht zur Stellungnahme bezüglich ihm unterbreiteter Vorschläge besitzt, hat der Ortsvorsteher während der im vorliegenden Fall ca. einen Monat später stattfindenden Sitzung des Ortsbeirates die ihm übermittelten Vorschläge vorzutragen und einen entsprechenden Beschluß herbeizuführen, der wiederum dem Haupt- und Personalamt der Stadt zugeleitet wird ( Handelte es sich im übrigen um eine Umbenennnung, so wäre es auch dieses Amt, das bereits zu diesem Zeitpunkt erste Maßnahmen ergreifen würde, um die betroffenen Anlieger von der bevorstehenden änderung des Straßennamens in Kenntnis zu setzten ).
Nachdem auch der Oberbürgermeister der Stadt Marburg - Dezernat 1 - über den Beschluß des Ortsbeirates informiert wurde, erarbeitet das Haupt- und Personalamt - unter genereller Beteiligung des Magistrats - eine Beschlußvorlage, die der Stadtverordnetenversammlung, als dem zentralen Beschlußorgan, zur Entscheidung übermittelt wird, wobei häufig schon jetzt die Bekanntgabe des konkreten Benennungstermins erfolgt.
Der eigentlichen Beschlußfassung geht eine Stellungnahme des Haupt- und Finanzausschusses voraus. Erst nach dessen zustimmender Äußerung leitet der Beschlußantrag des Vorsitzenden dieses Ausschusses das Abstimmungsverfahren ein.
Durch Mehrheitsbeschluß der Stadtverordnetenversammlung erlangt die Benennung Rechtskraft.
Mit der anschließenden amtlichen Bekanntmachung findet das Straßenbenennungsverfahren im Stadtteil Elnhausen nach 10 Monaten seinen Abschluß.

Zusammengestellt von Martina Margraff und Hermann Gerhardt


© 2005  Uhde@staff.uni-marburg.de, Stand: 21.09.1997