Erstmals erwähnt wird der Steinweg, welcher manchmal Klingelberg (z.B. 1362) genannt wurde, in einer Liste von Beschwerden des deutschen Hauses gegen die Stadt Marburg vom Ende des 14. Jahrhunderts [Abschrift bei Wyss, Arthur: Hessisches Urkundenbuch - 1. Abtheilung, Urkundenbuch der Deutschordens-Ballei Hessen, 3. Band - Von 1360-1399, veranlasst und unterstützt durch die königliche Archivverwaltung (=Publicationen aus den königlichen Staatsarchiven, 73. Band), Leipzig 1899]. Er ist der obere von drei Wegen, deren mittlerer im Volksmund die "Plantage", der untere das "Loch" (Angabe laut Adreßbuch der Stadt Marburg, Jahrgang 1938/39) genannt wurde bzw. wird.

Seinen Namen erhielt er in jener Zeit, als gepflasterte und damit steinerne Straßen bzw. Wege noch die Ausnahme bildeten. Mehr zum Wegewesen im Mittelalter in der folgenden kurzen Darstellung:

Das Wegewesen im Mittelalter

Straßenverfall im frühen Mittelalter

Allgemein konnte das europäische Straßenwesen im Mittelalter nicht die Qualität des Wegesystems erreichen, welches im römischen Reich bestanden hatte. Damals war ein engmaschiges Netz von Straßen geknüpft worden, das sowohl dem Handel als auch raschen militärischen Bewegungen zugute kam. Nach dem Zusammenbruch des römischen Imperiums zerfiel jedoch nicht nur die zentrale Staatsgewalt sondern auch deren Infrastruktur.

Die Gründe für das geringe Interesse, welches von den germanischen Gemeinwesen gegenüber dem Erhalt bzw. Ausbau eines guten Straßensystems aufgebracht wurde, sind vielfältig: Neben dem Mangel an den erforderlichen Geldern bestand zunächst kaum Bedarf an weiten Reisen oder städtischem Leben. Eine zentrale Verwaltung, die ein Straßennetz erfordert hätte, fehlte fast völlig. Desweiteren bestand eine weitverbreitete Verteidigungsstrategie darin, die Durchgangsstraßen zu sperren, was wenige und schlechte Wege als Vorteil erscheinen ließ. Bei vielen der Eroberervölker herrschte zudem die Ansicht vor, daß die Benutzung von Fahrzeugen unter der männlichen Würde sei, was einer der Gründe war, weswegen Fahrzeuge mit Rädern bei ihnen nur vergleichsweise selten waren. Außerdem erschien es der Bevölkerung sehr nützlich, zu landwirtschaftlichen Zwecken bzw. dem Hausbau einfach die Steine der Römerstraßen zu verwenden.

Die Folge war, daß die einstmals aufwendig gebauten Straßen wurden nur noch durch eher behelfsmäßige Flickarbeiten ausgebessert wurden, wobei dies in der Regel in Form von zu leistenden Frondiensten der Bauern geschah. Es ergab sich ein erheblicher Qualitätsverlust, so daß bald die schweren Karren und Wagen die Oberflächen zerstörten. Die steinernen Brücken der Römerzeit wurden nach und nach durch solche aus Holz oder auch Fähren ersetzt. Sumpfgebiete umging man großräumig, indem Wege entlang von natürlichen Tälern oder über Gebirgspäßen benutzt wurden. Reisen waren in der Folgezeit nur noch zu Fuß oder mit Pferden möglich, Gespannen waren längere Fahrten verwehrt. So wurden, soweit möglich, immer mehr Transporte auf den Wasserwege abgewickelt und der Landverkehr ging immer mehr zurück.

Reorganisation des Verkehrswesen

Das Bedürfnis nach besseren Transportleistungen stieg jedoch mit der Zeit. Dies war zum einen darin begründet, daß die zentraler organisierten Staaten zur Kontrolle des Landes auf ein funktionierendes rasches Botensystem angewiesen waren. Zudem mußten Heereszüge in möglichst kurzer Zeit gemacht werden können, um in den einzelnen Teilen des weiten Landes äußere wie innere Feinde wirkungsvoll bekämpfen zu können. Aus diesem Grunde wurden schon in fränkischer Zeit einige große Durchgangsstraßen unter königlichem Schutz gestellt, womit ein kompliziertes System von Pflichten für Bau und Unterhalt von Straßen und Brücken verbunden war. Dieses erwies sich jedoch als kaum durchsetzbar, so daß es nur höchst nachlässig gehandhabt wurde.

Auch die Kirche bemühte sich um ein funktionsfähiges Verkehrssystem. Zum einen gedachte sie ihre autoritär gesamtkirchlichen Belange durchzusetzen, zum anderen waren mit dem aufkommenden Kathedralbau zumeist größere Steinbewegungen verbunden, welche nicht allein auf dem Wasserwege zu bewältigen waren. Zudem sorgten die zahlreichen Pilgerfahrten für zusätzlichen Druck, wovon allerdings vorwiegend das Beherbergungswesen profitieren konnte.

Vor allem jedoch hatten die aufblühenden Städte ein gesteigertes Interesse an guten Wegeverbindungen. Nachdem ihnen mit dem stärkeren, zentralisierteren Rechts- und Verwaltungssystem eine größere Rolle zukam, kam auch dem Handel immer größere Bedeutung zu. Zudem benötigte der Zuzug von den kleineren Ansiedlungen in Dörfer und Städte entsprechende Infrastruktur. Hinzu kam, daß ab ca. 1100 immer mehr Pferde statt Ochsen vor die Pflüge gespannt wurden, was nur mit kräftigeren Tieren sinnvoll zu bewerkstelligen war. Da zur selben Zeit auch die Geschirre bedeutend verbessert werden konnten, wurden zunehmend Pferde als Zugtiere vor Karren und Wagen eingesetzt. Nun hielten jedoch die damaligen Straßen den nunmehr eisenbeschlagenen Hufen und Wagenrädern nicht stand. Der lokale Straßenbau wurde noch aus dem Grunde vorangetrieben, daß ab dem 11. Jahrhundert jedes Wohnhaus und jede Arbeitsstelle einen direkten Zugang zur Straße haben sollte.

Allerdings gab es immer noch bedeutende Widerstände zu überwinden: Die Anlieger der Straßen sahen einen Großteil ihrer Einkünfte in Gefahr, welche sie im Beherbergungswesen (da lange Reisezeiten mehr Übernachtungen bedeuteten), durch Wagenreparaturen oder die Stellung von Pferden erwirtschafteten. Auch der Grundherr verdiente am schlechten Starßenzustand, da ihm beträchtliche Einnahmen aus dem Geleitsschutz bzw. den mannigfachen Straßenzöllen erwuchsen.

Trotzdem konnten im ausgehenden Mittelalter einige Verbesserungen des Straßenzustandes durchgesetzt werden, allerdings in recht unterschiedlichem Maße. Zum Ausbau kamen in Deutschland vorwiegend die alten Handelswege, d.h. Natur- und Römerstraßen. In den Städten waren die äußerst morastigen Straßen bis dato zumeist als Kanalisationsersatz angesehen worden, was nicht nur eine überaus morastige Beschaffenheit, sondern auch übelsten Gestank zur Folge hatte. Zudem benötigten zwar die Hufe der Zugtiere eine hohe Oberflächenreibung sowie einen elastischen Untergrund, eine glatte und harte Oberfläche war dagegen für die harten eisenbereiften Räder der Wagen notwendig.

So begann man in den Städten, Straßen zu pflastern. Dabei entwickelte sich sich aus den Reihen der Steinmetze bald eigene Zünfte der Pflasterer, welche hoch in der Regel hoch angesehen waren. Unter den Zunftmitgliedern gab es jedoch auch einige, welche die Pflaster heimlich wieder aufrissen und dadurch für zusätzliche Nachfrage sorgten, was mancherorts solche Ausmaße annahm, daß auf ein solches Vergehen die Todesstrafe stand. Als Arbeitswerkzeuge standen den Pflasterern v.a. Spitz- und Breithacke, Schaufel, Korb, Handkarren, Kelle und Handrammen zur Verfügung. Daneben wurde im späten Mittelalter eine römischeTechnik wieder aufgegriffen, bei welcher große, von Ochsen oder Menschen gezogene Steinrollen zur Festigung des Straßenkörpers verwandt wurden. Gepflastert wurden allerdings in der Regel nur einzelne Straßen bzw. Straßenstücke. Eine flächendeckende Pflasterung gab es nur in wenigen Städten, so im 13. Jahrhundert in Worms, Speyer und Köln, im 14. Jahrhundert in Regensburg und Nürnberg. Bis 1500 folgten Augsburg und London.

Literatur zum mittelalterlichen Wegewesen:

Voigt, Fritz: Verkehr, 2. Band - Die Entwicklung der Verkehrssysteme, Berlin 1965

Lay, Maxwell Gordon: Die Geschichte der Straße - Vom Trampelpfad zur Autobahn, aus dem Englischen von Thomas Pampuch und Timothy Slater, Frankfurt am Main/New York 1994

Zusammengestellt von Michael Korn


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