Alfred-Wegener-Straße

Am 29.5.1954 beantragte das Stadtbauamt in Person vom Stadtbaurat Kessner beim Magistrat, der Neubaustraße Nr. 213 zwischen Pestalozzi- und Bantzerstraße den Namen "Alfred-Wegener-Straße" zu geben.


Das Amt lieferte dafür folgende Begründung: "An der durch Fluchtlinienplan vom 8.7.1935 festgelegten Straße werden zur Zeit Wohnräume errichtet. Wir schlagen vor, die Straße nach dem Meteorologen und Polarforscher Dr. Alfred Wegener (1880-1930) zu benennen, der in den Jahren 1906-1908, 1912-1913 und 1930 zahlreiche Grönlandexpeditionen leitete und 1930 im Eis umkam. Dr. Wegener hat auch einige Zeit am Physikalischen Institut der Universität Marburg gewirkt."

Diese Vorlage des Bauamtes wurde laut Niederschriftauszug in der Magistratssitzung am 14.6.1954 zurückgestellt und der Vorgang dem Stadtbauamt einschließlich Niederschriftauszug zurückgegeben. In Form von handschriftlichen Notizen vom 18.6. und 19.6.1954 hielt man aber im Bauamt fest, daß eine Straßenbenennung dringend erforderlich sei, weil dort schon einzelne Neubauten errichtet worden und die Bewohner ja postalisch erreichbar sein müßten. Außerdem hatte man vermerkt, daß es den Magistratsmitgliedern anheim gestellt war, einen anderen Straßennamen vorzuschlagen.

Am 28.6.1954 wurde die Vorlage erneut in die Magistratssitzung hineingereicht und um Beschluß gebeten. In der Magistratssitzung vom 5.7.1954 machten die Mitglieder von ihrem Recht, einen anderen Straßennamen vorzuschlagen, Gebrauch. Dementsprechend beschloß der Magistrat, die Stadtverordnetenversammlung zu ersuchen, die Neubaustraße Nr. 213 "Kerschensteinerstraße" zu benennen.

Als Anlaß für diesen neuen Straßennamen diente wahrscheinlich ein Ausschnitt aus der Oberhessischen Presse vom 3.7.1954, der die Feierstunde in der Marburger Berufsschule "Friedrich Ebert" anläßlich des 100. Geburtstags von Georg Kerschensteiner, dem "Vater der Berufsschulen" dokumentierte und als Namensvorschlag mit in die Akte zu den Straßenbenennungsverfahren abgeheftet worden war.

Diese Vorlage einschließlich neuem Niederschriftsauszug wurde dem Stadtbauamt anschließend zurückgesandt, damit die dortigen Beamten dann den entsprechenden Straßenbenennungsantrag für die Stadtverordneten-Versammlung mit Begründung erarbeiten konnten.

Der Stadtbaurat Bernt wandte sich nach Fertigstellung des Antrags mit folgendem Antrag einschließlich Begründung am 29.7.1954 an die Stadtverordneten-Versammlung: "Es wird beantragt, die Neubaustraße 213 zwischen Pestalozzistraße und Bantzerstraße "Kirschensteinerstraße" zu benennen. Begründung: "Auf Anregung des großen Pädagogen Kerschensteiner haben die deutschen Städte mit den Berufsschulen einen neuen Zweig unseres Schulwesens entwickelt, der gerade heute vor neuen Aufgaben steht. Nicht umsonst hat man ihn, für den vor kurzem in der Aula der Friedrich-Ebert-Schule eine Feierstunde zum 100. Geburtstag stattfand, den Vater der Berufsschule genannt."

Am 28.9.1954 beschloß die Stadtverordneten-Versammlung laut Protokollauszug einstimmig, die Neubaustraße 213 nach dem berühmten Pädagogen "Kerschensteinerstraße" zu benennen. Damit war das Verwaltungsverfahren abgeschlossen und die Straßenbenennung rechtskräftig. Ob auch eine amtliche Bekanntmachung erfolgt ist, war aus den Akten nicht ersichtlich.

Später wurde in Marburg schließlich auch eine Straße nach Alfred Wegener benannt. Mit dem Beschluß der Stadtverordnetenversammlung vom 11.12.1981 wurde die südliche Heinrich-Heine-Straße mit der Bebauungsplannummer 7/29 in "Alfred-Wegener-Straße" umbenannt. Die amtliche Bekanntmachung dazu erfolgte im März 1982.


Quellen: Akten der Stadtverwaltung Marburg betreffend Straßenbenennungen von 1937-1955, im: Staatsarchiv Marburg, Bestand 330 Marburg, Nr. 7236, S. 437ff.