Obwohl der Namensgeber dieser Straße bereits zu Zeiten des Kaiserreichs sich politisch betätigte - er saß seit dem Jahre 1913 als gewählter Abgeordneter Waldecks im Reichstag -, und obwohl er zweifellos zu den Gründervätern der Weimarer Republik gezählt werden darf, dauerte es nach seinem Tod noch rund ein Vierteljahrhundert bevor man ihn durch die Benennung einer Straße ehrte. Es war der Einmarsch der Amerikaner im März 1945, der in den Folgemonaten eine massenhafte Umbenennung von Marburger Straßen nach sich zog und eine Rückbesinnung auf die Verdienste von Weimarer Politikern bewirkte.

So wurde auch der Pfarrer und spätere Politiker Friedrich Naumann bedacht, der ursprünglich der Fortschrittlichen Volkspartei angehörte, nach Gründung der Weimarer Republik jedoch dann zum ersten Vorsitzenden der neugegründeten Deutschen Demokratischen Partei (DDP) gewählt wurde und dieses Amt bis zu seinem Tod im August 1919 bekleidete. Die DDP war gemäßigt-liberal, die Partei der Mitte schlechthin, und gehörte in der Anfangsphase der Weimarer Republik zur sogenannten "Weimarer Koalition" und damit zu den staatstragenden Pfeilern des neuen Staates.
Die heutigen Liberalen der Bundesrepublik Deutschland sehen sich in der Tradition der Deutschen Demokratischen Partei und haben infolgedessen ihre Parteistiftung nach deren Gründungsvorsitzenden Friedrich Naumann benannt.

Vor 1945 trug die Straße Namens von Schlachtfeldern des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71, offensichtlich um der Marburger Jäger zu gedenken, die Kriegsteilnehmer gewesen waren und an diesen Orten gekämpft haben. So findet man die Friedrich-Naumann-Str. im Adreßbuch des Jahres 1871 unter dem Namen Wörthstraße, die allerdings zur damaligen Zeit noch über den Friedrichsplatz hinausging und die heutige Liebigstraße miteinschloß. 1912 kam es dann zur Teilung der Straße, wobei die Straße bis zum Friedrichsplatz fortan Orléansstraße hieß, während jenseits des Platzes der alte Name zunächst beibehalten wurde.

Interessant ist, daß das gesamte Südviertel mit Straßennamen versehen wurde, die die politische Ideologie des Kaiserreichs widerspiegelten und an den heroischen Sieg über den Erzfeind Frankreich erinnern sollten.
So gab es eine Moltkestraße zu Ehren des großen Militärstrategen (heute: Stresemannstraße), eine Sedanstraße in Erinnerung an die entscheidende Schlacht (heute: Radestraße), oder die ebenfalls nach einem Schlachtfeld benannte Weißenburgstraße, die heute als Schückingstraße geführt wird.

Zusammengestellt von Jens Roepstorff.



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