Name:

Der Name leitet sich von dem Wort "gren" ab, dem Begriff für ein rauhes kiesiges Erdreich, wie es hier mit Ton und Lehm vermischt vorkommt. Frühere Schreibweisen sind u.a.Griende, Grinde, Gryene, Grynde, Grient, Grind und Grien.

Ersterwähnung:

Als einer der letzten außerhalb der Stadtmauer erbauten Stadtteile dürfte das aus einer doppelten Häuserreihe bestehende "Grün" anzusehen sein. Erstmaliges wird der Grün als Stadtteil im Jahr 1329 genannt. Jedoch sind auch schon vorher einzelne Personen bekannt, die sich dort ansiedelten und sich nach dem Ort benannten. 1295 erscheint ein Echehardus dicktus de Grinde und im Jahr 1314 übergibt Guda, Witwe des Ortwins dicti an dem Griende sich und ihre Habe dem Deutschen Haus zu Marburg. Noch früher sind der Fronhof und die Mühle am Grün erwähnt. In einer Urkunde von 1248 werden beide Gebäude genannt.

Geschichte der Straße:

Die geschlossene bebaute Einstraßensiedlung und der sie fortsetzende Feldweg (heute Frankfurter Straße folgen einem natürlichen trockenen Uferwall. Erstmals erwähnt wird der Weg 1493, als der Schultheiß und der Rat der Stadt Marburg den Weg "hinder Grinde" besichtigen. Solch eine Besichtigung kam das nächste Mal im Jahre 1528 vor. Die ersten größeren Ausbauten an der Straße erfolgen 1807, als die Verbindung Pilgrimstein - "Am Grün" bis zum Schützenpfuhl ausgebaut wird, da die vom Berliner Tor geraubte Quadriga auf dem Transport nach Paris in der Marburger Marktgasse stecken bleibt. Es gelang zwar noch durch die Reitgasse und Untergasse hindurchzukommen, jedoch wurden auf Grund dieser Episode die obengenannten Straßen ausgebaut, d.h die Frankfurter Str. neu errichtet. Geplant war ein solcher Ausbau schon 1788, damals noch von der hessischen Regierung. Es dürfte sich allerdings bei dem Transport nicht um die Quadriga gehandelt haben, da sonst nirgenswo davon berichtet wird, sondern um einen anderen Transport. 1898 werden die Stadtbebauungspläne für die Verbreiterung der "Grünstraße" ( wie sie zwischenzeitlich auch genannt wurde) endgültig festgelegt. 1903 kommt es zu einer Neupflasterung der Straße, in dessen Folge auch auf beiden Seiten ein Bürgersteig angelegt wird.

Berufe am Grün:

Die Rückseite der Straße "Am Grün" von Weidenhausen aus über die Lahn aufgenommen

Durch das ganze MA bis in die Neuzeit hinein, dürften die vorherrschenden Berufe im Stadtteil Grü;n die der Wollweber und Lohgerber sein. So wohnten 1515 am Grü;n ca 24 Personen,von denen 18 Wollweber waren, die die Mühlen an der Lahn für die Wollweberei benötigten, und 4 Lohgerber, die sich auch wegen der Nähe zur Lahn dort angesiedelt hatten. . Heutzutage sind noch einzelne Läden dort angesiedelt.

Gebäude am Grün:

Accouchier-Institut:

Im Januar 1792 wurde das neue "Accouchier-Institut" am Grün eröffnet. Allerdings war es kein Neubau, sondern ein aus Privatbesitz übernommenes Fachwerkhaus. Nach dem Übergang der Entbindungsanstalt in den Deutsch Haus Bereich um 1822, wurde das Gebäude 1838 zur Schule, ging dann an die Militärverwaltung über und wurde 1900 zusammen mit dem alten Fronhof abgerissen.

Bad:

Im MA wurden Am Grün und im Pilgrimstein öffentliche Bäder für die ärmeren Bevölkerungsschichten unterhalten, da die Sitte des Warmen Bades auch von den armen Familien ausgeübt wurde. Durch die geringe Reinlichkeit dieser Bäder wurden jedoch auch ansteckende Krankheiten verbreitet.

Bauhof/ Stadthof:

1428 verkaufen der Marburger Schöffe Daniel von Sassen und der Bürger Ludwig Imhof und seine Frau fü r 52 Pfund Marburger Währung ihre Scheune und Hofstatt, gelegen am Grün an die Stadt Marburg, auf welchem seit 1451/52 der Stadthof (="Bauhof)" erwähnt wird. Dieser Hof dürfte ungefähr auf den Grundstücken der Häuser Am Grün 26 und 26a gelegen haben. Im Stadthof wurden vor allem die Wasserleitungen aus Erlenholz hergestellt. 1509 wurden im Stadthof sogar die Geschütze gebohrt. Weiterhin wurden dort Bretterund Bohlen hergestellt und sogar Schmiedearbeiten ausgeführt. So wurde der Bauhof bis ins 17. Jhd. hinein genutzt. 1646 wurde ein Bau im Stadthof abgerissen, was wohl das Ende vom Bauhof einläutete. Ab 1647 wurden Teile des Stadthofes verpachtet. Durch die Belagerung der Stadt und des Schlosses durch die kaiserlichen Gruppen im Jahre 1647 wurde wahrscheinlich auch der Stadthof in Mitleidenschaft gezogen. So mußten die Pächter weniger Pacht zahlen.Jedoch blieb der Stadthof auch weiterhin im Besitze der Stadt. Ab und zu wurden einzelne Reparaturarbeiten an ihm durchgeführt, jedoch scheint es das er nicht mehr all zu oft benutzt wurde. 1735 wurde dann beschlossen Teile des ehemaligen Stadthofes als Baumschule zu verwenden.

Baumschule:

1724 wurde durch die Baum-Pflantz-Ordnung von Landgraf Karl vorgeschrieben, daß, um dem Holz-Mangel entgegen zu wirken, Baumschulen anzulegen seien. Die Stadt Marburg kam dieser Ordnung schon sehr bald nach und legte auf dem Kempfrasen eine solche Baumschule an. 1735 wurde im Rat der Stadt beschlossen, auf dem grüßten Teil des ehemaligen Stadthofes zusätzlich eine Baumschule einzurichten. In der Sitzung vom 8. März 1735 wurde dann beschlossen:"in pleno resolviret worden,das 12 Schuh von dem Stadthoff am Grü;n zum Pfandstall solle ligen gelassen,das übrige aber zur Stadtbaumschule gebraucht werden."(330 Mbg A.I,47 Ratsprotokoll). Ende des 18.Jhds. wurde auch die Baumschule nicht mehr benutzt. 1803 endlich wurde die ü;ffentlich versteigert. Erst diente die ehemalige Baumschule als Garten, bis dort 1884/85 das heutige vordere Haus Am Grün 26 errichtet wurde.

Fronhof:

Errichtet dürfte der Fronhof, zusammen mit der Burg, wohl um 1131 worden sein. Die Bewohner des Fronhofes waren wohl für die Versorgung der Burg verantwortlich. Die Fronhofarbeiter waren wahrscheinlich an der westlichen Straßenseite angesiedelt, da dort viele kleine Grundstücke anzutreffen sind. Erstmalig erwähnt wird der Fronhof 1248. Als Sitz der Landkomptur ist er seit 1447 belegt. Unter der Regierung der Landgrafen Heinrich III und Wilhelm III wurde die herrschaftliche Jägerei im Fronhof unterhalten. 1899 mußte der alte Fronhof wegen des Ausbaus der Straße weichen. 1899/1900 baute der Weinhändler W.H. Pfeiffer das neue Fronhofhaus.

Grüne Tor:

Wie die anderen Tore der Vororte fungierte auch das Grüne Tor bis etwa 1830/40 als Zolltor. In den Jahren 1451-53 wird ein Mengel Korp als Torwächter genannt. In diesen Jahren führt er 3 Schillinge 4 Dinare als Wegegeld an die Stadt ab und erhält 1 Pfund Lohn jährlich. 1478/79 wurde an der "Gryntporten" 7 1/2 Schillinge und 2 Dinare Wegegeld eingenommen. In der ersten Hälfte des 19.Jhd. wurde das Tor wegen des Verkehrs abgerissen. Heute erinnert nur noch das Torhaus an den alten Standplatz des Grünen Tors.

Haus des Rentmeisters Daniel Seip:

Während der Belagerung der Stadt 1647 bezog offenbarder Meleander Graf Holzapfel Quartier in dem Haus des Rentmeisters Seip. Am 20. oder 21. Dezember während der Graf zu Tisch saß, bombadierte man das Haus (heute Am Grün 32). Eine Kugel traff das Haus und Graf Holzapfel wurde dabei so schwer verwundet, daß er die Belagerung aufgab.(Bücking, Begebenheiten, S.175f) Noch heute erinnert ein Relief mit Darstellung eines Kopfes an dem Eingang von Am Grün 32 an Graf Holzapfel.

Mühle am Grün:

Ehemals vor dem Grünen Tor gelegen, gehürt die Mühle heute zum "Am Grün" Erstmalig erwähnt wird die Mühle 1248. Im Juli 1320 entsagt Bischof Ludwig von Münster zugunsten des Deutschen Hauses zu Marburg seinen Ansprüchen auf die Mühle, doch erst 2 Wochen später gab Landgraf O. von Hessen die bis dahin vorenthaltene Mühle heraus. 1496 tauscht der Dt. Orden mit dem Landgrafen u.a. die Mühle am Grün gegen einige Erleichterungen.

Schule:

1838 wurde durch den Stadtrat in den Räumen des ehemaligen Accouchier-Gebäudes eine Realschule eingerichtet, die in 2 Klassen die Bürgerschule fortsetzen und ergänzen sollte. Der erste Leiter war der Schulinspektor Rüding. 1840 hatte die Schule 18 Schüler. Neben dem Inspektor unterrichteten noch ein Mathematik-, ein Franzüsisch- und zwei Zeichenlehrer.


Zusammengestellt von Kerstin Langschied.




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